LabV - die Plattform für Material Intelligence

Rückblick Chemspec Europe

Chemie im Wandel:

Die wichtigsten Erkenntnisse der Chemspec Europe 2025

speciality chemistry trends from ChemSpec Europe

Klimaneutralität, Lieferkettenrisiken, Fachkräftemangel und digitale Transformation: Die Spezialchemie steht vor einer ganzen Reihe tiefgreifender Veränderungen. Wer sich langfristig im Markt behaupten will, muss nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen oder effizienter arbeiten – sondern neue Wege finden, um Innovation gezielt voranzutreiben.Die Chemspec Europe 2025 Anfang Juni zeigte anhand konkreter Praxisbeispiele und Technologien, wie die Branche auf aktuelle Herausforderungen reagiert – und welche Entwicklungen die Zukunft der Industrie beeinflussen.

Besonders im Fokus: die strategische Nutzung von Daten, die Integration von KI und die Frage, wie Nachhaltigkeit zur tragfähigen Wachstumsstrategie werden kann. Dabei rückten nicht nur Forschung und Entwicklung in den Mittelpunkt, sondern auch Qualitätssicherung, die Überführung neuer Technologien in die industrielle Anwendung und der Umgang mit regulatorischer Komplexität.

Nachhaltigkeit wird zum zentralen Wettbewerbsfaktor

Nachhaltigkeit ist kein Nebenschauplatz mehr, sondern wird zur tragenden Säule strategischer Entscheidungen. Ein Beispiel dafür lieferte Pierre-Yves Bolle von Pili, der aufzeigte, wie 100 % biobasierte aromatische Zwischenprodukte durch Fermentation in Europa hergestellt werden können – eine skalierbare Alternative zu petrochemischen Verfahren mit deutlich reduzierter CO₂-Bilanz.

Auch in den Sessions wie „Maximising ROI: Reduce cost through decarbonisation“ von von Tilmann Vahle (Quantis) und Justus Brinkmann (INVERTO, A BCG Company) wurde deutlich: Dekarbonisierung ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern kann auch betriebswirtschaftlich attraktiv sein. 

trends from the chemspec trade show in 2025

Einige Unternehmen verknüpften CO₂-Reduktionsziele gezielt mit der Optimierung von Beschaffung und Produktionsprozessen – etwa durch emissionsärmere Vorprodukte oder nachhaltigeres Lieferantenmanagement. Dabei wurden in konkreten Fallbeispielen Scope-3-Einsparungen von bis zu 15 % aufgezeigt – also Emissionsreduktionen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette, außerhalb der eigenen Produktion.

Darüber hinaus wurde deutlich, dass auch technologische Innovationen eine zentrale Rolle in der Nachhaltigkeitsstrategie spielen. Grüne Verfahren wie der Einsatz neuer Adsorptionstechnologien zur selektiven Reinigung – beispielsweise bei der Entfernung hartnäckiger Schadstoffe – oder die Entwicklung umweltfreundlicherer Isocyanate für Hochleistungsmaterialien standen dabei im Fokus mehrerer Vorträge. Diese Ansätze zeigen, dass nachhaltige Chemie nicht zwangsläufig mit Leistungseinbußen verbunden ist – im Gegenteil: Sie eröffnet neue Anwendungsmöglichkeiten und Marktchancen.

KI durchdringt die gesamte Wertschöpfungskette

Ai in the fine and specialty chemicals area

Wo früher Tabellen analysiert wurden, übernehmen heute Algorithmen: Die Chemspec zeigte, wie KI dabei hilft, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen, Formulierungen gezielter zu steuern und Produktionsdaten nutzbar zu machen. Ein Beispiel: LabV zeigte, wie Material Intelligence Plattformen dabei helfen, Formulierungen schneller und zielgerichteter zu entwickeln, Prüfprozesse datenbasiert zu steuern und Produktionsdaten intelligent zu verknüpfen.

Das Ergebnis: weniger Trial-and-Error, bessere Qualitätssicherung, effizientere Prozesse. LabV zeigte, wie Material-Intelligence-Plattformen Entwicklungsprozesse beschleunigen und die Qualitätssicherung verbessern können. Daniel Stroh, verantwortlich für Kundenstrategie bei LabV, bringt es auf den Punkt: „Unsere Kunden können heute bereits neue Formulierungen doppelt so schnell evaluieren – nicht, weil sie mehr experimentieren, sondern weil sie die relevanten Daten zum richtigen Zeitpunkt verfügbar haben.“

„Unsere Kunden können heute bereits neue Formulierungen doppelt so schnell evaluieren – nicht, weil sie mehr experimentieren, sondern weil sie die relevanten Daten zum richtigen Zeitpunkt verfügbar haben.“

Auch abseits der Labor- und Entwicklungsprozesse wird KI zunehmend gezielt eingesetzt – etwa in der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach ESG-Kriterien, also bei der Erfassung und Auswertung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten. Weitere Anwendungsfelder sind die Vorhersage von Emissionen, die regulatorische Bewertung von Stoffen oder die vorausschauende Steuerung von Lieferketten.

Auffällig war auf der Chemspec, dass sich diese Anwendungen zunehmend von isolierten Pilotprojekten zu strategisch integrierten Lösungen entwickeln: KI wird nicht mehr als technisches Add-on gedacht, sondern als Bestandteil eines vernetzten, automatisierten und zukunftsfähigen Prozesssystems.

Pharma & Biopharma: Daten treiben Präzision und Effizienz

In der pharmazeutischen Feinchemie steht alles im Zeichen von Präzision: personalisierte Arzneimittel, Biologics, AI-gestützte Formulierungen. Der Trend zu hochspezifischen, hochreinen Wirkstoffen führt zu neuen Anforderungen an die chemischen Bausteine – und die Prozesse, mit denen sie hergestellt werden.

speciality chemistry trends from ChemSpec Europe

KI spielt auch hier eine zentrale Rolle: bei der Auswahl von Wirkstoffen, bei in silico-Screenings und bei der Vorhersage von Syntheserouten. Gleichzeitig gewinnen Biokatalyse und kontinuierliche Prozesse (Flow Chemistry) an Bedeutung – als Antwort auf steigende Qualitäts- und Effizienzanforderungen. Martin Schürmann von InnoSyn zeigte beispielsweise, wie virtuelle Screening-Pipelines, unterstützt durch KI und Machine Learning, den Entwicklungsprozess chemischer Reaktionen deutlich beschleunigen können. Besonders für R&D-Teams sei es entscheidend, die passenden Modelle zu finden – denn nur so lassen sich komplexe Reaktionen effizient simulieren und optimieren. Durch solche in silico-Verfahren lassen sich nicht nur Syntheserouten besser planen, sondern auch Laborkapazitäten gezielt entlasten und Ressourcen schonen.

Prozessintensivierung: Weniger Energie, mehr Selektivität

Die industrielle Chemie ist zunehmend gefordert, präzise, selektive und zugleich ressourcenschonende Prozesse zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Metathese-Reaktion – ein Verfahren, bei dem funktionelle Gruppen zwischen Molekülen gezielt ausgetauscht werden.

Was bislang vor allem im Labormaßstab Anwendung fand, wird nun in den industriellen Maßstab übertragen. Dr. Christoph Gütz (Saltigo) zeigte auf der Chemspec, wie dies in der Praxis gelingt – mit messbaren Effizienzgewinnen bei der Herstellung hochspezifischer Zwischenprodukte. Ziel solcher Verfahren ist es, anspruchsvolle Moleküle mit hoher Ausbeute und geringerem Energiebedarf herzustellen – etwa für pharmazeutische Zwischenprodukte oder Spezialchemikalien.

Auch andere Verfahren wurden auf der Chemspec als zukunftsweisend hervorgehoben: Bei der magnetischen Katalyse etwa ermöglichen Wechselfelder eine direkte, kontrollierte Erwärmung des Katalysators – was sowohl Reaktionszeiten verkürzt als auch die Energieeffizienz verbessert. Und im Bereich Reinigung und Abwasserbehandlung rücken neue Adsorptionsmaterialien in den Fokus, die hartnäckige Verbindungen wie PFAS gezielt binden können. Solche Lösungen gewinnen nicht nur in der Umweltchemie, sondern auch in der pharmazeutischen Aufarbeitung zunehmend an Bedeutung.

Regulatorische Anforderungen: Unterschiedliche Systeme, steigender Aufwand

Die regulatorischen Anforderungen in der Chemiebranche nehmen nicht nur zu – sie fragmentieren sich zunehmend. Während Unternehmen früher primär mit dem europäischen REACH-System arbeiteten, müssen sie heute parallel auch UK-REACH, das türkische KKDIK und das entstehende Ukraine-REACH berücksichtigen – jeweils mit eigenen Fristen, Pflichten und Meldewegen. Hinzu kommen verschärfte Vorgaben zur Chemical Hazard Classification sowie neue Umwelt- und Sicherheitsstandards, etwa im Umgang mit PFAS.

Die Chemspec machte deutlich: Regulatorische Anpassungsfähigkeit ist längst mehr als eine Compliance-Frage – sie wird zum Wettbewerbsfaktor. Wer nicht rechtzeitig reagiert, riskiert nicht nur Verzögerungen, sondern auch den Verlust regulatorisch kontrollierter Absatzmärkte. Entsprechend gewinnen digitale Tools zur Steuerung von Stoffdaten, Sicherheitsdatenblättern und regulatorischen Klassifizierungen an Bedeutung. 

regulatory requirements in the specialty chemsitry field is increasing

Sie helfen, den Überblick zu behalten, Prozesse zu automatisieren und Risiken frühzeitig zu erkennen. Dr. Jayachandran Nair (GPC) brachte es auf den Punkt: „Regulatorische Exzellenz wird künftig über Marktzugang entscheiden – Unternehmen müssen die digitale Steuerung ihrer Compliance jetzt strategisch mitdenken.“

Neue Anwendungsfelder öffnen strategische Optionen

Die Spezialchemie erschließt sich derzeit neue Märkte – getrieben durch technologische Megatrends wie KI, Digitalisierung und die Bioökonomie. Besonders gefragt: Materialien für die Halbleiterproduktion, smarte Additive für Elektronik oder nachhaltige Lösungen zur Behandlung chemischer Reststoffe. Ein Wachstumstreiber sind Investoren und Cluster wie ChemCologne, CLIB oder der European Circular Bioeconomy Fund (ECBF). Sie unterstützen gezielt Start-ups und mittelständische Unternehmen bei der Skalierung neuer Technologien – etwa Mechanochemie, KI-gestützte Rezepturentwicklung oder bakterienbasierte Abfallbehandlung.

Beim Panel zur Bioökonomie präsentierte der ECBF gleich mehrere Start-ups, die mithilfe von KI smarte Formulierungen für Recyclingprozesse oder mikroplastikfreie Additive entwickeln – oft schneller als etablierte Wettbewerber.

Fazit: Die Richtung ist klar – aber Geschwindigkeit entscheidet

Die Chemspec Europe 2025 hat gezeigt: Die Herausforderungen der Branche sind komplex, aber nicht unlösbar. Die Technologien, Konzepte und Netzwerke sind vorhanden – jetzt geht es darum, sie konsequent zu nutzen. Unternehmen, die heute auf digitale Integration, Materialdaten und KI-gestützte Steuerung setzen, verschaffen sich nicht nur einen Effizienzvorteil, sondern sind auch besser auf kommende regulatorische Anforderungen vorbereitet.

LabV hat mit seiner Material-Intelligence-Plattform ein Beispiel dafür geliefert, wie sich Labor-, Prozess- und Messdaten so zusammenführen lassen, dass Innovation beschleunigt, Qualität gesichert und Entwicklungskosten gesenkt werden. Das ist kein Versprechen – das ist umsetzbare Realität.

Denn am Ende ist nicht entscheidend, wer die meisten Daten hat – sondern wer sie versteht, verknüpft und daraus handelt.

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