LabV - die Plattform für Material Intelligence
Was wäre, wenn Ihre Materialdaten schon vor dem ersten Versuch verraten könnten, welche Rezeptur funktioniert?
Dieser Artikel zeigt, wie F&E- und QS-Teams mit Machine Learning bessere Entscheidungen treffen, Entwicklungszeiten verkürzen – und das mit einem klaren Fünf-Schritte-Ansatz.
Zu viele Versuche, zu lange Entwicklungszeiten, zu viele Daten ohne Erkenntnisgewinn: In Forschung und Qualitätssicherung stehen Teams täglich vor diesen Herausforderungen. Was wäre, wenn sich aus bestehenden Daten gezielt Empfehlungen ableiten ließen – automatisiert, zuverlässig und skalierbar? Genau hier setzt Machine Learning an.
Ob bei der Rezepturentwicklung, bei der Identifikation von Prozessabweichungen oder bei der Qualitätsprüfung: Machine Learning kann Unternehmen dabei helfen, aus bestehenden Daten konkrete Entscheidungen abzuleiten – schneller und präziser als je zuvor. Dieser Artikel zeigt, wie der Einstieg gelingt, worauf es bei Daten, Modellen und Plattformen ankommt – und warum gerade Labore und F&E-Teams besonders profitieren.
Machine Learning ist ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz (KI). Während KI allgemein Maschinen beschreibt, die menschliche Fähigkeiten nachahmen, geht es beim maschinellen Lernen darum, aus Daten zu lernen. Ein ML-Modell erkennt Muster in großen Datenmengen, trifft Vorhersagen und verbessert sich kontinuierlich – ohne dass jeder Schritt programmiert werden muss.
Man kennt das aus dem Alltag: Spamfilter, Gesichtserkennung oder Produktempfehlungen basieren längst auf maschinellem Lernen. Diese Systeme analysieren Daten, passen sich automatisch an und liefern zunehmend präzisere Ergebnisse.
Im Unterschied zur klassischen Statistik, bei der Zusammenhänge modellhaft vorausgesetzt werden, sucht Machine Learning eigenständig nach Mustern – auch in komplexen, nichtlinearen oder hochdimensionalen Datenstrukturen. Während beispielsweise eine lineare Regression eine klare Formel benötigt, kann ein neuronales Netzwerk versteckte Wechselwirkungen zwischen vielen Parametern erkennen.
Machine Learning liefert nicht nur bessere Vorhersagen, sondern eröffnet völlig neue Möglichkeiten, Zusammenhänge zu verstehen, die bisher im Verborgenen lagen.
Gerade in der Materialentwicklung, wo zahlreiche Einflussfaktoren gleichzeitig wirken, bietet dieser datengetriebene Ansatz enorme Vorteile. ML liefert nicht nur bessere Vorhersagen, sondern eröffnet völlig neue Möglichkeiten, Zusammenhänge zu verstehen, die bisher im Verborgenen lagen.
In der klassischen Produktentwicklung dominiert häufig noch das Trial-and-Error-Prinzip. Einzelne Parameter werden verändert, Ergebnisse analysiert und erneut getestet – ein mühsamer, zeitintensiver Prozess. Alternativen wie die statistische Versuchsplanung (Design of Experiments, DoE) helfen, bringen aber bei steigender Komplexität schnell ihre Grenzen mit sich.
Machine Learning verfolgt hier einen neuen, datengetriebenen Ansatz. Statt sich allein auf Erfahrung und Experimente zu verlassen, nutzt man historische Daten – etwa aus Tests, Rezepturen oder Messungen – um Zusammenhänge zu identifizieren. Ein trainiertes Modell kann dann etwa vorhersagen, wie eine bestimmte Materialzusammensetzung performt oder welche Parameter den größten Einfluss auf die Qualität haben.
In einem typischen Projekt analysierte ein Unternehmen mehrere tausend historische Rezepturen und deren Performance-Werte. Ziel war es, Machine Learning auf zwei Arten einzusetzen: Erstens sollte das Modell vorhersagen, wie gut eine neue Rezeptur performt – noch bevor sie im Labor getestet wird. Zweitens sollte es Vorschläge für optimale Rezepturen liefern, basierend auf definierten Zielwerten.
Das Projekt folgte einem strukturierten Vorgehen, das sich in vielen industriellen Anwendungen bewährt hat:
Datengenerierung:
Zunächst wurden verlässliche Daten aus früheren Experimenten gesammelt und digitalisiert – etwa zu Zusammensetzungen, Prozessparametern und Labormesswerten wie Viskosität oder Härte.
Datenaufbereitung:
Die Rohdaten wurden bereinigt, vereinheitlicht und so strukturiert, dass sie nicht nur von Menschen, sondern auch von Algorithmen verarbeitet werden konnten.
Modelltraining:
Rund 80 % der vorhandenen Daten wurden genutzt, um das Modell zu trainieren. Dabei lernte das System die Zusammenhänge zwischen Eingangsgrößen (z. B. Rezepturbestandteile) und Zielgrößen (z. B. Performance-Messwerte).
Modelleinsatz:
Nach erfolgreicher Validierung wurde das Modell in ein Tool integriert, das nun konkrete Vorhersagen zur Performance neuer Rezepturen und Vorschläge zur Optimierung liefern konnte.
Modellpflege:
Die Leistung des Modells wurde laufend überwacht. Neue Daten aus Tests oder Kundenrückmeldungen flossen regelmäßig in das System ein, um es weiter zu verbessern.
Die restlichen 20 % der Daten dienten als Testdaten: An ihnen wurde geprüft, wie gut das Modell auf bisher unbekannte Rezepturen generalisierte – und wie zuverlässig die Vorhersagen in der Praxis waren.
Dieses strukturierte Vorgehen trug dazu bei, die Zahl physischer Versuche deutlich zu reduzieren. Das Modell lieferte gezielte Vorschläge für erfolgversprechende Ansätze – und verkürzte so Entwicklungszeiten sowie die Reaktionsfähigkeit auf neue Kundenanfragen.
Ein strukturierter Ansatz ist notwendig, damit Machine Learning sein Potenzial entfalten kann.
Neben der Rezepturentwicklung ist Machine Learning auch in der Qualitätssicherung ein starkes Werkzeug. Modelle können historische Messdaten auswerten, um Abweichungen zu erkennen, die auf potenzielle Defekte hindeuten. So lassen sich Probleme frühzeitig vermeiden – bevor sie die Produktion beeinträchtigen.
Auch in der Prozessoptimierung oder im Rahmen von Predictive Maintenance liefert ML wertvolle Impulse. Es erkennt Muster in Prozessdaten, die auf künftige Ausfälle hinweisen könnten, und unterstützt so eine vorausschauende Wartung – ein echter Mehrwert für produzierende Unternehmen.
Je nach Zielstellung und Datenlage kommen im Machine Learning unterschiedliche Modellarten zum Einsatz. Einfache lineare Modelle sind besonders transparent und schnell trainiert. Sie zeigen, wie stark ein bestimmter Faktor – zum Beispiel die Konzentration eines Additivs – das Ergebnis beeinflusst. Sie sind ideal für einen ersten Einstieg oder zur Bestätigung bekannter Zusammenhänge.
Komplexere Aufgaben – etwa das Zusammenspiel mehrerer Materialparameter oder die Vorhersage von Performance unter bestimmten Prozessbedingungen – erfordern leistungsfähigere Modelle wie Entscheidungsbäume, Random Forests oder neuronale Netze. Besonders sogenannte Bayes’sche neuronale Netze eignen sich gut, um Unsicherheiten in den Vorhersagen zu berücksichtigen. Die Auswahl des „richtigen“ Modells erfolgt meist iterativ – mit Validierungen, Vergleichen und Kombinationen mehrerer Ansätze.
Ein häufig unterschätzter Vorteil des Modells: Es hilft nicht nur beim Vorhersagen, sondern auch beim Verstehen. Welche Merkmale haben den größten Einfluss? Wo liegt der größte Hebel zur Verbesserung? So wird Machine Learning auch zum Analyse-Tool für die tägliche Entwicklungsarbeit.
Entscheidend für den Erfolg ist nicht nur der Algorithmus, sondern die Qualität und Struktur der Daten. Viele Projekte scheitern nicht an der Modellierung, sondern an der Datenaufbereitung. Excel-Tabellen mit uneinheitlichen Bezeichnungen, unterschiedliche Formate oder fehlende Struktur bremsen den Fortschritt erheblich. Je sauberer die Datenbasis, desto besser die Modellqualität.
Hinzu kommt: Machine Learning ist kein einmaliges Projekt. Modelle müssen kontinuierlich gepflegt und mit neuen Daten aktualisiert werden – wie ein Garten, der regelmäßig betreut werden muss. Nur so lassen sich die Ergebnisse langfristig verbessern.
Auch das Wissen der Fachexperten bleibt unverzichtbar. Denn obwohl das Modell aus Daten lernt, braucht es die Erfahrung von Entwicklungs- und Qualitätsteams, um zu bewerten, welche Merkmale wichtig sind – und welche Zusammenhänge wirklich relevant.
Der Einsatz von Machine Learning ist nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Entscheidung. In vielen Organisationen fehlt es nicht an Daten – sondern an einer klaren Strategie, wie diese genutzt werden sollen. Häufig sind Daten über verschiedene Abteilungen und Systeme verstreut, was eine sinnvolle Zusammenführung erschwert.
Auch der Umgang mit Unsicherheiten will gelernt sein: Machine Learning liefert keine endgültigen Wahrheiten, sondern Wahrscheinlichkeiten. Dies erfordert einen anderen Umgang mit Ergebnissen – und oft auch ein Umdenken in der Entscheidungsfindung.
Nicht zuletzt braucht es Akzeptanz bei den Mitarbeitenden. Wenn ML-gestützte Empfehlungen im Labor oder in der Qualitätssicherung nicht nachvollziehbar sind, sinkt das Vertrauen – und damit der Nutzen. Hier helfen transparente Modelle, Pilotprojekte mit greifbarem Mehrwert und eine gute Kommunikation zwischen Fachbereichen und Datenverantwortlichen.
Für viele Unternehmen lohnt es sich, nicht bei null zu starten, sondern auf eine spezialisierte Material Intelligence Plattform zu setzen. Diese verbindet Datenmanagement, Machine Learning und eine intuitive Oberfläche. Damit lassen sich Daten aus verschiedenen Quellen integrieren, aufbereiten und direkt in ML-gestützte Prozesse überführen.
Der Vorteil: Statt in mühsamer Einzelarbeit eigene Algorithmen zu entwickeln, können sich Teams auf die Interpretation und Anwendung der Ergebnisse konzentrieren – genau dort, wo die Fachkompetenz liegt.
Wer Machine Learning in der Materialentwicklung oder Qualitätssicherung einsetzen will, sollte mit einer konkreten Fragestellung beginnen. Welche Aufgaben im Laboralltag oder in der Rezepturentwicklung könnten datenbasiert besser gelöst werden? Ist das Ziel klar, geht es darum, vorhandene Daten zu prüfen: Sind sie vollständig, strukturiert und digital verfügbar?
Der Einstieg muss dabei nicht kompliziert sein. Auch einfache Modelle liefern oft schon wertvolle Erkenntnisse – ein Deep-Learning-Ansatz ist nicht zwingend notwendig. Wichtig ist, mit einem klar abgegrenzten Use Case zu starten, erste Erfahrungen zu sammeln und von dort aus systematisch zu skalieren.
Machine Learning eröffnet neue Perspektiven für datengetriebene Innovation – sowohl in der Forschung als auch in der Qualitätssicherung. Richtig eingesetzt, hilft es dabei, die Effizienz zu steigern, bessere Materialien und Produkte zu entwickeln und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Mit der richtigen Plattform, einer klaren Zielsetzung und gut strukturierten Daten ist der Einstieg einfacher, als viele denken.
Machine Learning verändert grundlegend, wie Materialien entwickelt und geprüft werden. In einem aktuellen Webinar haben wir genauer erklärt, was hinter ML steckt, wie es in F&E und QS eingesetzt werden kann – und worauf man in der Praxis achten sollte: Webinar hier ansehen.
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