LabV - die Plattform für Material Intelligence
Die ECS 2025 hat eines deutlich gemacht: Nachhaltigkeit, Funktionalität und Digitalisierung sind längst mehr als nur Trends – sie verändern grundlegend, wie Beschichtungen formuliert und entwickelt werden. Im Zentrum dieses Wandels steht Material Intelligence – die Verbindung von Chemie und Daten, um Innovation intelligenter und schneller voranzutreiben. In diesem Blogbeitrag stellen wir sechs Entwicklungen vor, die zeigen, wie die Branche diesen Wandel aktiv gestaltet.
Die European Coatings Show (ECS) ist weit mehr als eine Fachmesse – sie gilt als Stimmungsbarometer einer Branche, die sich im Umbruch befindet. Die diesjährige Ausgabe hat es erneut bestätigt: Drei Themen prägen die Entwicklung der Lack- und Beschichtungsindustrie besonders stark – Nachhaltigkeit, Funktionalität und digitale Technologien. Was besonders deutlich wurde: Der Umgang mit Daten verändert die Art und Weise, wie Beschichtungen entwickelt, bewertet und optimiert werden. Die Branche bewegt sich hin zu dem, was immer häufiger unter dem Begriff Material Intelligence gefasst wird. Wir haben für Sie die sechs wichtigsten Trends zusammengefasst, die diesen Wandel deutlich machen – und wie sie ein neues Selbstverständnis in der Entwicklung von Lacken und Beschichtungen prägen.
Noch vor wenigen Jahren galt Nachhaltigkeit als Differenzierungsmerkmal einzelner Anbieter. Heute ist sie zur Grundvoraussetzung für viele marktfähige Produkte geworden – das ließ sich auch im Vortragsprogramm der ECS 2025 nachvollziehen.
In zahlreichen Präsentationen stand die Frage im Mittelpunkt, wie nachhaltige Beschichtungen künftig formuliert werden können: Biobasierte Rohstoffe wie Lignin, Baumwollsaatöl oder Zuckeralkohole wurden ebenso diskutiert wie VOC-reduzierte, wässrige Systeme, PFAS-freie Additive oder alternative Bindemittel. Auch die Recyclingfähigkeit von Materialien wurde aufgegriffen – etwa durch neue Ansätze zur Wiederverwertung von Polyurea oder den Einsatz CNSL-basierter Polyole.
Der Tenor der Vorträge und in den vier Hallen der ECS war eindeutig: Nachhaltigkeit ist kein nachgelagerter Optimierungsschritt mehr, sondern ein zentrales Kriterium, das die Formulierungsentwicklung von Anfang an prägt.
Gerade hier kann die Digitalisierung einen entscheidenden Beitrag leisten. Denn wer nachhaltiger formulieren will, braucht fundierte Daten – über Rohstoffe, Wechselwirkungen, Lebenszyklen und regulatorische Anforderungen. Digitale Tools haben das Potenzial, dieses Wissen systematisch zugänglich zu machen und gezielt einzusetzen.
Die Anforderungen an moderne Beschichtungen gehen weit über Schutz und Optik hinaus. Viele Entwicklungen zielen auf funktionale Eigenschaften ab – von selbstreinigenden oder antimikrobiellen Oberflächen über UV-Absorption bis hin zu wärmeleitenden oder flammhemmenden Systemen. Neue Materialien wie Sol-Gel-Beschichtungen, Core-Shell-Nanopartikel oder selbstinitiierende Harze ermöglichen Lösungen, die früher technisch kaum realisierbar waren
Was früher Spezialanwendung war, wird zunehmend Standard: Beschichtungen sollen heute aktiv zur Funktion des Endprodukts beitragen – nicht nur passiv schützen.
Auch in einem Bericht vom letzten Jahr hat FARBE UND LACK hervorgehoben, dass funktionelle Beschichtungen weltweit einen anhaltenden Aufschwung erleben. Branchenexperten prognostizieren, dass der Markt für funktionelle Lacke bis 2031 fast 930 Millionen Euro erreichen wird, was auf die steigende Nachfrage in verschiedenen Industriezweigen wie Automobil, Bau und Luft- und Raumfahrt zurückzuführen ist.
Im Automobilbau, bei Holzoberflächen oder im Bausektor – die Anforderungen werden differenzierter, und mit ihnen verändern sich auch die Formulierungsstrategien.
"Die Zeiten universeller „One-fits-all“-Lösungen sind also vorbei. Stattdessen setzen Unternehmen verstärkt auf tiefes Prozessverständnis und entwickeln maßgeschneiderte Systeme, die exakt auf die jeweilige Anwendung abgestimmt sind."
Gerade die Automobilindustrie verlangt heute nach Lacken, die mehr können als nur gut aussehen: Sie müssen zugleich leicht, kratzfest, UV-beständig und nachhaltig sein. Ähnlich spezifisch sind die Anforderungen im Baubereich, wo es etwa um CO₂-reduzierte Zementsysteme oder Beschichtungen mit verbesserten Isoliereigenschaften geht. Für Holzbeschichtungen stehen thixotrope, pumpfähige Systeme im Fokus, die eine gleichmäßige Applikation und hohe Prozessstabilität ermöglichen.
Unterstützt wird dieser Trend durch digitale Technologien, die eine schnellere Anpassung und flexiblere Produktion ermöglichen. Moderne Formulierungs- und Simulationswerkzeuge erlauben es, neue Varianten zielgerichtet zu entwickeln und gezielt auf individuelle Spezifikationen hin zu optimieren. So wird aus Komplexität ein strategischer Vorteil – für Hersteller ebenso wie für ihre Kunden.
Die Zeiten universeller „One-fits-all“-Lösungen sind also vorbei. Stattdessen setzen Unternehmen verstärkt auf tiefes Prozessverständnis und entwickeln maßgeschneiderte Systeme, die exakt auf die jeweilige Anwendung abgestimmt sind. Das betrifft nicht nur die chemische Zusammensetzung, sondern auch Verarbeitung, Lebensdauer, regulatorische Anforderungen und Nachhaltigkeitsziele.
Trotz aller Digitalisierungsdynamik bleibt die Chemie das Fundament der Innovation – das wurde auf der ECS 2025 einmal mehr deutlich. Eine Vielzahl neuer Materialkonzepte zeigte, wie intensiv an der Weiterentwicklung von Rohstoffen gearbeitet wird: reaktive Tenside, hybride Pigmente, biobasierte Verdünner, silikonfreie Entschäumer oder neue Ester für UV-härtbare Systeme fanden ebenso Beachtung wie komplexere Bindemittelstrukturen und funktionale Füllstoffe.
Der Innovationsdruck ist hoch – vor allem, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit, Verarbeitbarkeit und Performance miteinander zu verbinden. Genau hier liefert die Materialwissenschaft entscheidende Impulse.
Beispielhaft präsentierte Kuraray auf der ECS neue Polymere mit ISCC PLUS-Zertifizierung , die speziell für nachhaltige Beschichtungen und Druckfarben entwickelt wurden. ISCC PLUS ist eine internationale Zertifizierung für Nachhaltigkeit – und wird zunehmend auch in der Chemie- und Lackindustrie verwendet, um biobasierte oder zirkuläre Rohstoffe nachzuweisen.
Auch hubergroup Chemicals stellte UV-Oligomere mit bis zu 70 % biobasiertem Kohlenstoffanteil vor, die in ihrer Performance mit konventionellen Produkten mithalten – und dabei deutlich umweltfreundlicher sind.
Diese Entwicklungen setzen fort, was sich bereits 2024 abzeichnete: Die Fachpresse berichtete schon damals über einen klaren Trend hin zu funktionalisierten und nachhaltigen Rohstoffen, die nicht nur regulatorische Anforderungen erfüllen, sondern auch echte Anwendungsvorteile bringen – von verbesserter Haftung bis zu optimierter Aushärtung.
Damit zeigt sich: Materialwissenschaft ist nicht nur der Ursprung neuer Rezepturen – sie ist auch der Schlüssel, um zentrale Herausforderungen wie Ressourcenschonung und regulatorische Sicherheit in marktfähige Lösungen zu übersetzen.
Neue gesetzliche Vorgaben wie die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und die ESPR (Ecodesign for Sustainable Products Regulation) wirken zunehmend als Treiber für Innovation in der Farben- und Lackindustrie. Unternehmen müssen nicht mehr nur freiwillig über Nachhaltigkeit berichten – sie sind verpflichtet, Umweltauswirkungen, Ressourceneffizienz und Kreislauffähigkeit systematisch zu erfassen und offenzulegen.
Damit verschiebt sich der Fokus: Nachhaltigkeit wird nicht mehr nur vom Markt gefordert, sondern regulatorisch eingefordert – und wirkt direkt in die Formulierungs- und Produktentwicklung hinein. Wer über Umweltwirkungen berichtet, muss diese auch gestalten.
Die ECS 2025 zeigte eindrucksvoll, wie viele Hersteller regulatorische Anforderungen nicht als Einschränkung, sondern als Innovationsmotor begreifen. Neue Produktideen – etwa PFAS-freie Additive, biobasierte Bindemittel oder energieeffiziente Härtungssysteme – entstehen direkt im Spannungsfeld zwischen technischer Innovation und regulatorischer Anforderung. Auch Prüfmethoden entwickeln sich weiter, um Kriterien wie Haltbarkeit oder Recyclingfähigkeit besser zu erfassen.
Das Fazit: Regulatorik ist heute nicht mehr nur Richtlinie – sondern Impulsgeber. Sie schafft Orientierung, beschleunigt Veränderung und fördert nachhaltige Lösungen, die sich am Markt behaupten können.
Einer der spannendsten Bereiche der diesjährigen ECS war die zunehmende Rolle von Daten, künstlicher Intelligenz und digitalen Tools in der Produktentwicklung. Zahlreiche Beiträge zeigten, wie die Branche sich vom klassischen Trial-and-Error-Prinzip entfernt – hin zu einem datengetriebenen, vorausschauenden Entwicklungsansatz. Vorgestellt wurden etwa digitale Formulierungsassistenten, Machine-Learning-Modelle zur Vorhersage optimaler Rezepturen oder webbasierte Tools für die systematische Planung von Versuchsreihen.
Im Zentrum all dieser Entwicklungen steht ein neues Verständnis von Daten – und mit ihm ein neues Konzept: Material Intelligence.
LabV präsentiert seine Material-Intelligence-Plattform auf der ECS 2025
Material Intelligence beschreibt die Fähigkeit, Materialdaten aus unterschiedlichen Quellen und Prozessen zu strukturieren, miteinander zu verknüpfen und daraus verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen. Es geht nicht nur darum, Daten zu sammeln, sondern sie so aufzubereiten, dass sie fundierte Entscheidungen ermöglichen – schneller, präziser und wiederholbar.
In der Praxis heißt das: Eigenschaften neuer Formulierungen lassen sich vorhersagen, bevor im Labor der erste Ansatz gemischt wird. Historische Versuchsdaten und Performancewerte fließen direkt in die nächste Optimierungsrunde ein. Und Teams an unterschiedlichen Standorten greifen auf eine gemeinsame, konsistente Datenbasis zu.
Material Intelligence verändert damit nicht nur die Art, wie Rezepturen entstehen, sondern auch das Wissensmanagement im Unternehmen. Es verknüpft chemisches Fachwissen mit digitaler Logik – und schafft die Grundlage für eine neue Art von Entwicklung: effizienter, nachhaltiger und intelligenter.
Die ECS 2025 hat eindrucksvoll gezeigt: Die Lackindustrie steht nicht nur vor technologischen, sondern vor grundlegenden Veränderungen in Denken und Handeln. Nachhaltigkeit, Funktionalität und Digitalisierung sind längst keine isolierten Trends mehr – sie wirken zusammen, greifen ineinander und definieren gemeinsam die Zukunft der Formulierungsentwicklung. Ob durch biobasierte Rohstoffe, funktionale Mehrwerte oder KI-gestützte Formulierungsstrategien – die Anforderungen steigen, aber auch die Möglichkeiten. Der Weg führt weg von Standardlösungen, hin zu anwendungsspezifischen, intelligenten Systemen, die Umwelt, Leistung und Effizienz gleichermaßen berücksichtigen. Material Intelligence steht dabei sinnbildlich für diesen Wandel: als Verbindung von chemischem Know-how und datenbasierter Entscheidungslogik. Wer heute beginnt, nachhaltige Innovationen mit digitalen Werkzeugen und funktionalem Mehrwert zu kombinieren, gestaltet aktiv die Zukunft der Branche – statt ihr nur zu folgen.
Weitere Information zur Material-Intelligence-Plattform (MIP) von LabV finden Sie auf dieser Seite.
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